02.08.2022 InfectoGnostics

Forschungscampus InfectoGnostics entwickelte Test-Plattform, die den Impfstatus für Corona, Masern, Diphtherie und Tetanus gleichzeitig prüft

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungscampus InfectoGnostics in Jena haben einen neuen Microarray – ein molekularbiologisches Untersuchungssystem – entwickelt, mit dem sich Antikörper gegen verschiedenste Infektionserreger nachweisen lassen. Mit einem Tropfen Blut des Patienten kann getestet werden, ob das Immunsystem auf eine Impfung reagiert oder eine antikörper-vermittelte Immunität nach Infektion besteht. Für die Test-Entwicklung und -Validierung haben die Campuspartner Leibniz-Institut für Photonische Technologienfzmb GmbHVirion\Serion GmbH sowie das Universitätsklinikum Jena (UKJ) kooperiert.

Mit einem Microarray (links) können InfectoGnostics-Forscher gleichzeitig Antikörper gegen SARS-CoV-2 (rechts) und gegen andere Infektionserreger detektieren.
Bild: ©InfectoGnostics/BioRender.com

Um sich gegen Infektionserkrankungen und Fremdstoffe zur Wehr zu setzen, bildet das Immunsystem des Menschen spezielle Proteine gegen den Krankheitserreger – sogenannte Antikörper. Doch diese Antikörper richten sich nicht gegen den gesamten Erreger, sondern binden sich per Schlüssel-Schloss-Prinzip stets an ganz bestimmte molekulare Strukturen des Eindringlings, die man auch „Antigene“ nennt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungscampus InfectoGnostics haben nun im RESISTOVAC-Projekt eine Testplattform entwickelt, bei der Dutzende solcher Antigene aufgetragen werden können. Mit einem einzigen Tropfen Blut des Patienten kann so parallel auf mehrere Antikörper gegen übliche und neue Infektionskrankheiten getestet werden.

Zentraler Fokus der Entwicklung war zunächst ein genaueres Screening der Immunreaktion auf das Coronavirus. Zum Einsatz kam dabei ein sogenannter Protein-Microarray: Das ist ein wenige Millimeter kleiner Chip, auf dem verschiedene Antigene als Fängermoleküle aufgetragen und gebunden sind. Wenn nun Antikörper aus dem Patientenblut mit den passenden Antigenen auf dem Chip zusammenkommen, verfärben sich durch eine speziell entwickelte Methode entsprechende Testfelder auf dem Mikroarray –somit wird deutlich, dass ein gesuchter Antikörper im Blut vorhanden gewesen sein muss.

Um die Zuverlässigkeit dieses Nachweises zu validieren, haben die InfectoGnostics-Forscherinnen und Forscher unterschiedliche SARS-CoV-2-Antigene auf den Microarray aufgetragen und gegen reale Proben von Covid-19-Patienten aus Thüringen getestet: „Wir wollten dabei die relativ spät gebildeten IgG-Antikörper nachweisen – eine Art Langzeitgedächtnis des Immunsystems gegen Bestandteile eines Erregers. Für deren Nachweis haben wir 18 Antigen-Kombinationen für das Corona-Virus als Fängermoleküle aufgebracht“, erläutert Sindy Burgold-Voigt, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT).

Kooperation von mehreren Partnern aus dem InfectoGnostics Forschungscampus

Konzipiert wurde der Microarray von den Leibniz-IPHT-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe „Optisch-molekulare Diagnostik und Systemtechnologie“ unter der Leitung von Prof. Ralf Ehricht, gemeinsam mit den Entwicklerinnen und Entwicklern der fzmb GmbH aus Bad Langensalza. Hergestellt wurde der Microarray schließlich auf Basis des „Inter-Array“-Systems der fzmb GmbH. Ein weiterer Firmenpartner des Forschungscampus InfectoGnostics, die VirionSerion GmbH, stellte zudem Antigene für Corona und andere Erreger zur Verfügung.

Für die Antigen-Referenzierung und Validierung des Tests stellte das Universitätsklinikum Jena Biobank-Proben und Daten aus ihrer 2020 in Neustadt am Rennsteig durchgeführten Corona-Studie „CoNAN“ bereit. Das Dorf in Nordthüringen wurde zu Beginn der Pandemie komplett unter Quarantäne gestellt und von UKJ-Forschern systematisch in einer epidemiologischen Studie erfasst.

Immunsysteme reagieren äußerst individuell auf Coronaviren

In ihrer Auswertung stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass die Immunantwort individuell sehr verschieden ausfällt: So hatten einige Patienten beispielsweise nur Antikörper gegen ein Protein entwickelt, welches das Erbgut des Virus einhüllt – das Nucleocapsid. Andere Patienten hatten hingegen Antikörper gegen das sogenannte Spike-Protein – die spitzen Strukturen, mit denen sich das Virus an menschliche Zellen anheftet. Wieder andere hatten gegen beide Corona-Antigene die passenden Antikörper.

Die kluge Kombination von verschiedenen Antigenen auf einem einzigen Test kann damit von hoher Bedeutung für das Verständnis der Antikörper-Immunabwehr und die Arbeit an neuen Impfstoffen sein, so Sindy Burgold-Voigt: „Für die Weiterentwicklung und Effizienzanalysen von Impfungen ist es extrem wichtig, dass die Forschung ein diagnostisches Werkzeug hat, mit dem man sich einen schnellen Überblick über die Immunreaktion verschaffen kann.“

Microarray für alle STIKO-Impfungen könnte Hinweise auf Impflücken geben

Zusätzlich zu verschiedenen Oberflächenstrukturen des Coronavirus wurden auch drei Antigene von den Erregern für Diphtherie, Masern und Tetanus auf den Test gebracht, auf die geimpfte Personen typischerweise reagieren. Auch hier konnte eine entsprechende Antikörperreaktion bei geimpften Personen erfolgreich nachgewiesen werden. „Wir konnten so zeigen, dass wir den Test flexibel erweitern und verschiedene Antikörper während einer einzigen Testung im Patientenblut nachweisen können. In Zukunft könnte man also einen Mikroarray für alle von der STIKO empfohlenen Impfungen zusammenstellen, mit dem man schnell und günstig auf mögliche Impflücken screenen könnte“, erklärt Sindy Burgold-Voigt.

Unterstützt wurde die Test-Entwicklung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Leitprojects RESISTOVAC des Forschungscampus InfectoGnostics, das die Entwicklung von PoC-Tests zur Bestimmung des Immunstatus und bakterieller Resistenzfaktoren zum Ziel hat. Darüber hinaus wurde die Studie durch den Freistaat Thüringen gefördert und durch Mittel der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert.

Publikation: Burgold-Voigt S, Müller E, Zopf D, Monecke S, Braun SD, Frankenfeld K, Kiehntopf M, Weis S, Schumacher T, Pletz MW, Ehricht R; CoNAN Study Group. Development of a new antigen-based microarray platform for screening and detection of human IgG antibodies against SARS-CoV-2. Sci Rep. 2022 May 16;12(1):8067. doi: 10.1038/s41598-022-10823-7.

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