Forschungscampus OHLF

Gemeinsam für Hightech und Nachhaltigkeit

Vernetzung und interdisziplinärer Austausch sind für Nicole Allgaier und Tim Fröhlich entscheidend. Dadurch kommen sie in ihrem Projekt um Flugwindkraft, Ladesäulen und Kreislaufwirtschaft am Forschungscampus OHLF voran.

 

Tim Fröhlich und Nicole Allgaier sitzen rechts im Bild an einem Konferenzstisch. Sie blicken gemeinsam in einen Laptop. Rechts im Bild ist eing roßer Flachbildschirm, auf dem eine Folie der Präsentation  zu sehen ist, die erkärt, wie aus dem Kite Energie gewonnen wird.
Tim Fröhlich und Nicole Allgaier © Projektträger Jülich

Nicole Allgaier, 31 Jahre, arbeitet beim Start-up EnerKíte. Tim Fröhlich, 36 Jahre, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Braunschweig. Beide arbeiten zusammen am Forschungscampus Open Hybrid LabFactory (OHLF) am Projekt TechnoHyb. Sie forschen daran, wie man Funktionen möglichst nachhaltig in Strukturen integrieren kann.

Wie sind Sie beide zu Ihrem Forschungsfeld und zum Forschungscampus OHLF gekommen?

Nicole Allgaier: Während meines Studiums Maschinenbau Erneuerbare Energien habe ich bei EnBW und Vattenfall gearbeitet und alle Formen Erneuerbarer Energien kennengelernt. Danach wollte ich etwas ganz Neues machen, so wie EnerKíte es tut. Das Unternehmen war Thema in einer Vorlesung und ich fand den Ansatz cool. Flugwindkraft ist ja eine neue Art von Windkraft.

Ich konnte meine Masterarbeit schon für EnerKíte schreiben, da war ich als Werksstudentin schon bei meinem heutigen Arbeitgeber und konnte einen Teil meiner Arbeitszeit für die Abschlussarbeit verwenden. Inzwischen habe ich die Projektleitung für Förderprojekte übernommen. Mir macht immer noch auch die kleine Unternehmensgröße Spaß, wir haben zurzeit 25 Mitarbeitende. Und klar: Ich möchte einen Beitrag leisten. Mir sind Nachhaltigkeit und Klimaziele wichtig und ich war immer gut in technischen Sachen. Das passte. Seit EnerKíte im vergangenen Jahr zum Forschungscampus OHLF gekommen ist, bin ich auch dabei.

Flugwindkraft

EnerKíte entwickelt Flugwindkraftanlagen. Dabei steigt ein Drachen an einem Seil in die Höhe. Durch den Wind entsteht Zugkraft, die in einer Bodenstation in Strom umgewandelt wird. Es wird weniger Material verbaut als bei herkömmlichen Windkrafträdern und die Einsatzhöhe ist flexibel, je nach Windaufkommen in der jeweiligen Höhe.

Tim Fröhlich: Ich bin fast von Beginn an beim Forschungscamps OHLF. Die Arbeitsgruppe Digital Engineering aus dem Institut für Konstruktionstechnik der TU Brauchschweig, bei der ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt bin, ist schon in der ersten Förderphase dazu gekommen. In der zweiten Förderphase koordinieren wir als Arbeitsgruppe jetzt das Projekt TechnoHyb für den Forschungscampus. Anfangs hatte ich viel zu tun mit dem Themenbereich Leichtbau, Hybridbauweise und Funktionsintegration, das waren auch die Anfänge des Forschungscampus OHLF. Dieser Materialmix, das Zusammenbringen unterschiedlicher Dinge, hat mich stark fasziniert. Klassischerweise hat man das getrennt: zum Beispiel in ein Bauteil für die Karosserie aus Stahl, und ein Bauteil für eine Funktion, wie Lautsprecher in Form von Leitungen in Kabelsträngen. Das hat man separat gedacht und am Ende zusammengebaut. Dabei lässt sich der Kabelstrang bei der Karosserie gleich mitdenken. Diese Funktionsintegration hat eine Menge Vorteile, aber auch Nachteile, gerade in Hinblick auf Ökonomie. Denn so betreibe ich häufig einen intensiven Materialmix, den ich am Ende schlecht wieder auseinanderbekomme. Das kann man sich heute nicht mehr leisten. Inzwischen denken wir am Forschungscampus OHLF weiter und beschäftigen uns mit Circular Economy, also Kreislaufwirtschaft. Gerade deswegen untersuchen wir im Projekt TechnoHyb, an dem Nicole und ich arbeiten, wie man beides vereinen kann, wie wir eine Funktion integrieren, vielleicht auch Kunststoffe nutzen können, wo früher Stahl benutzt wurde und gleichzeitig zirkulär denken. Also so bauen, dass wir es wieder trennen und die einzelnen Komponenten recyceln können.

Was für Funktionen braucht denn ein Flügel für Flugwindkraft?

Tim Fröhlich: Zum Beispiel Sensoren zur Eis-Detektion, die messen, ob der Flügel vereist ist. Zum Enteisen nutzt man bei Flugzeugen oder großen Windrädern oft Wärme. Das funktioniert beim Kite nicht, weil der Strom am Boden erzeugt wird und nicht in der Luft. Daher untersuchen wir, ob wir mit Vibration arbeiten können, um das Eis abzusprengen, statt die Oberfläche aufzuheizen. Das wäre eine Möglichkeit, die weniger energieintensiv ist. Außerdem schauen wir uns beispielsweise an, welche Lasten im Kite auftreten. Das ist extrem wichtig, um die Struktur langlebig zu machen, sie effizient auszulegen. Einer der Königswege der Circular Economy ist gar nicht das Recyceln, sondern das Produkt so lange wie möglich am Leben zu halten. Ganz konkret gibt es am Kite momentan so eine Art Vorflügel, der aus CFK (Kohlenstoffverstärkter Kunststoff, umgangssprachlich Carbon) besteht. CFK lässt sich schlecht recyceln. Daher untersuchen wir mögliche alternative Materialien. Was wir dabei herausfinden, gilt auch für eine Menge anderer Ultraleichtanwendungen. Wir werden nicht den ganzen Flügel ersetzen können. Aber mit der Stelle vorne könnte das funktionieren.

Nicole Allgaier: So haben wir durch TechnoHyb die Möglichkeit, unser Produkt direkt in der Entwicklung schon möglichst nachhaltig zu gestalten. Da schauen wir jetzt für die Bodenstation, welche Teile aus Aluminium oder Stahl ausgetauscht werden können. Die Bodenstation gibt es bisher nur als Prototyp. Wir sind jetzt dabei diese Station in der Größe des Endproduktes zu bauen. Dass wir die Materialfrage in diesem frühen Stadium mit betrachten können, ist gut. Denn es soll ja ein nachhaltiges Produkt werden.

Jetzt könnte man sagen, was Sie tun, könnte in irgendeiner Arbeitsgruppe in einem Unternehmen oder einer Uni passieren. Was macht auch aus Ihrer Sicht die Arbeit am Forschungscampus besonders?

Nicole Allgaier: Sehr viel macht das Netzwerk aus. Wir haben einen ganz anderen Zugang zu anderen Unternehmen und profitieren davon enorm. Beispielsweise die Life Cycle Analyse hatten wir von einem Studenten schon einmal grob betrachten lassen. Jetzt haben wir wirklich gute Unternehmen an der Hand, mit denen wir zusammenarbeiten können und mit deren Hilfe wir dann auch validere Ergebnisse bekommen.

Tim Fröhlich: Als wir als Forschungscampus OHLF auf der Suche nach Anwendungspartnern waren, hat uns das Netzwerk hier sehr geholfen genau diese zwei Anwendungsfälle zu identifizieren. Einmal über die Nähe zu Volkswagen und damit zu Elli bzw. zur Volkswagen Group Charging GmbH mit der großen mobilen Ladestation. Da haben wir einen großen Apparat mit Batteriespeicher in sehr stahlintensiver Bauweise. Und dann haben wir einen Ultraleichtbau-Drachen von EnerKíte. Am Ende standen wir da und hatten zwei interessante Anwendungsfälle, die nicht wirklich zusammengepasst haben. Dann haben wir uns gefragt, was ist denn, wenn wir die quasi aneinander stöpseln? Denn für die Ladesäule brauche ich eine Eingangsleistung, die habe ich nicht überall.

Nicole Allgaier: Schon gar nicht überallnachhaltig.

Tim Fröhlich: Genau.Trotzdem muss ich, wenn wir das mit der E-Mobilität ernst meinen, überall zuverlässig laden können. Und so ist das Konzept entstanden, beides miteinander zu verbinden. Das war anfangs eher noch eine „spinnerte Idee“. Im Gespräch haben wir aber gemerkt, dass das Potenzial hat. Das ist ein Beispiel, wie man über ein vorhandenes großes Netzwerk einfach auf Partner zugreifen kann. Als Universität haben wir Erfahrung mit öffentlich geförderten Projekten. Da hat man irgendwie sein eigenes kleines Netzwerk, kommt aber eher schwierig an neue Partner. Das ist im Forschungscamps deutlich einfacher. Elli und EnerKíte wären ohne den Forschungscampus OHLF so gar nicht zusammengekommen und jetzt ist daraus eine Liebesgeschichte geworden.

Nicole Allgaierja (lacht): Wir hatten dadurch als EnerKíte die Möglichkeit, bei Volkswagen Group Charging an Kontakte zu kommen, die Entscheidungen treffen können. Und jetzt planen wir ein Folgeprojekt, was wir ohne den Forschungscampus OHLF nicht oder nur mit sehr viel Mühe bekommen hätten. Es ist tatsächlich so, dass wir E-Mobilität für uns erst durch die Arbeit am Forschungscampus OHLF als einen unserer Kernmärkte identifiziert haben. Das war für mich ein echter Aha-Moment. Das hatten wir vorher nicht in diesem Umfang auf dem Schirm.

Tim Fröhlich: Dabei hätte es diese Liebesgeschichte beinahe gar nicht gegeben: Wir sind mit dem Projekt ursprünglich ganz anders gestartet. Wir wollten eine funktionsintegrierte Heckklappe entwickeln. Also eine Heckklappe, in der Funktionen wie Sensorik und Lautsprecher schon eingebaut sind. Dann hat es Veränderungen bei einem Partner gegeben und wir standen plötzlich ohne Werkzeugbauer da. Wir haben auch niemanden gefunden, der in das laufende Projekt eingestiegen wäre. Zusammen mit allen Partnern haben wir überlegt, wie es weitergehen kann und mussten einsehen, dass unsere gesteckten Ziele nicht mehr erreichbar waren. Das war ein großer Tiefschlag. Am Ende haben wir es aber doch geschafft uns neu aufzustellen. Wir haben weitergekämpft, neue Partner gesucht. Mit EnerKíte und Elli konnten wir das Projekt sogar so gestalten, dass es deutlich besser auf das Circular Economy-Konzept einzahlt – und das heute, nicht zuletzt auch durch die Unterstützung des BMBF, auf sehr positive Resonanz in der Öffentlichkeit stößt. Man kann also aus vermeintlichen Rückschlägen gemeinschaftlich etwas Gutes erarbeiten.

Wie erleben Sie ganz persönlich den Forschungscampus OHLF?

Tim Fröhlich: Wir haben immerdas Bestreben, ein OHLF-Gefühl zu bekommen. Es gibt eine Menge Events. Wir treffen uns hin und wieder einfach zum Grillen, machen mit beim Firmen-Lauf… Da lernt man sich noch mal ganz anders kennen. Ich kann gar nicht so viel mit anderen Leuten arbeiten, dass ich mit allen über das Projekt Kontakt hätte. So viel Zeit habe ich nicht. Durch solche Events habe ich die Chance andere Leute kennenzulernen. Die fragt man dann schneller Mal um Rat oder sucht den Kontakt bei einem Anliegen. Das funktioniert immer gut.

Nicole Allgaier: Ich empfinde den Forschungscampus generell sehr unterstützend, auch für uns als Mitarbeitende. Wir sind ein kleines Unternehmen. Wir können hier Forschung betreiben, die uns sonst nicht möglich wäre. Das hat also auch einen finanziellen Aspekt. Aber es ist auch einfach schön, sich bei Projekttreffen zu sehen, das ist immer freundlich und harmonisch. Die Zusammenarbeit macht einfach Spaß.

Tim Fröhlich: Genau. Ich muss zugeben, dass ich mir schon manchmal gedacht habe, dass es nervig ist, wie oft ich dieses Projekt bei unterschiedlichen Treffen schon vorgestellt habe. Aber auf der anderen Seite ist es total gut, weil wir eine Menge Input bekommen. Anderswo köchelt man manchmal eher an seinem eigenen Brei. Hier kommt ganz regelmäßig Input auch von Menschen, die nicht direkt im Projekt arbeiten. Und wir werden anders gesehen: So waren wir beispielsweise vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeladen, unser Projekt auf der Hannover Messe zu präsentieren, und konnten es auch der Ministerin vorstellen.

Nicole Allgaier: Für uns als Unternehmen ist der Kontakt zur Politik sehr wichtig. Das Thema muss politisch verankert werden – nicht nur, wenn es irgendwann um Genehmigungen geht. Da werden wir durch den Kontext, den uns der Forschungscampus OHLF bietet, auch als Technologie nochmal anders wahrgenommen.

Was nehmen Sie denn aus dem Forschungscampus mit zu ihrer Mutterorganisation?

Nicole Allgaier: Ich finde es immer gut zu sehen, wie andere Unternehmen grundsätzlich arbeiten. Natürlich bietet ein kleines Unternehmen, wie wir es sind, Vorteile wie schnellere Entscheidungswege. Aber die Erfahrungen und der Rat großer Unternehmen, worauf man achten muss, helfen sehr. Ich fand es zum Beispiel spannend, von Elli zu hören, wie die Genehmigungen der Ladesäulen erfolgt sind, wie anders das in unterschiedlichen Ländern ist und wie viel Zeit man dafür verwenden muss.

Tim Fröhlich: Man hat auch einen besseren Einblick in andere Institute. Als TU oder auch als Institut sind wir manchmal schon eine etwas festgefahrene Organisation und machen Dinge auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Da ist es erfrischend, zu sehen, wie andere etwas machen und zu überlegen: Könnten wir das nicht auch?

Frau Allgaier hat vorhin schon von ihrem großen Aha-Erlebnis erzählt, Herr Fröhlich, haben Sie so einen Moment?

Tim Fröhlich: Ich glaube das war für mich die Erkenntnis, wie wichtig der Austausch mit anderen ist, wie viel Miteinander zählt und wie wichtig Synergien für erfolgreiche Forschung sind. Wenn ich noch mal zurückschaue in meine Studierendenzeit oder in meine Forschungsanfänge: Da dachte ich, dass ich ein toller Wissenschaftler bin, wenn ich eine Aufgabe ganz alleine löse. Dagegen geht es viel mehr ums Miteinander. Hier schauen viele Leute mit auf ein Projekt und überlegen auch bei einzelnen Ergebnissen, wie wir sie weiterverwenden können. Das heißt zusammen schaffen wir viel eher etwas, was auch benutzt werden kann. Das war für mich echt ein Aha-Moment, als ich das realisiert habe.